Wie arm ist Potsdam-Mittelmark? Landrat Wolfgang Blasig (SPD) soll einen Bericht erstellen

Wie viele bedürftige Menschen gibt es in Potsdam-Mittelmark? Das möchte die Fraktion Die Linke/Piraten wissen und fordert einen Armutsbericht. Doch Unterstützung gibt es bislang nur von rechts.

In der Lebensmittelausgabe der Bad Belziger Tafel des
          Arbeitslosenverbandes Deutschland arbeiten auch Elke Adler
          (re.) und Stefanie Thon.

In der Lebensmittelausgabe der Bad Belziger Tafel des Arbeitslosenverbandes Deutschland arbeiten auch Elke Adler (re.) und Stefanie Thon. Quelle: Archiv: Thomas Wachs

Bad Belzig

Wie viele Menschen in Potsdam-Mittelmark leben unterhalb der Armutsgrenze? Reichen die bislang angebotenen Hilfen und Beratungen für Bedürftige aus? Und wie viele Menschen machen überhaupt Gebrauch vom sogenannten Bildungs- und Teilhabepaket? Das möchten die Mitglieder der Kreistagsfraktion Die Linke/Piraten wissen und fordern von der Kreisverwaltung das Erarbeiten eines detaillierten Armutsberichtes.

Der Sozialausschuss des Kreistages hat einem entsprechenden Antrag jetzt zugestimmt und dem Kreistag dessen Annahme empfohlen. Stimmt dieser auch zu, muss Landrat Wolfgang Blasig (SPD) nun alle drei Jahre einen Bericht über die Bedürftigkeit der Mittelmärker vorlegen.

Jeannette Paech ist stellvertretende
                  Fraktionsvorsitzende der Fraktion Die Linke/Piraten im
                  Kreistag von Potsdam-Mittelmark.

Jeannette Paech ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Fraktion Die Linke/Piraten im Kreistag von Potsdam-Mittelmark. Quelle: Rüdiger Böhme

„Der Bericht soll sich bei Methodik, Aufbau und Fragestellung an den Armuts- und Reichtumsberichten des Bundes orientieren“, erklärte Jeannette Paech (Die Linke/Piraten) zur Begründung ihres Papiers. „Auf Grundlage eines solchen Berichtes, in welchem die Verwaltung einerseits Fakten auflistet, aber andererseits auch eine Bewertung vornimmt, wonach sie die vorhandenen Ressourcen wie Geld und Personal verteilt, kann der Kreistag seine Beschlüsse zum Haushaltsplan ausrichten“, heißt es in der Beschlussvorlage.

Ob der Kreistag diesem Antrag in seiner nächsten Sitzung am 24. Juni dieses Jahres zustimmen wird, ist allerdings noch höchst ungewiss. Denn das Votum des Sozialausschusses fiel denkbar knapp aus. Von den sieben anwesenden Mitgliedern votierten lediglich Astrit Rabinowitsch (Die Linke/Piraten) und Uwe Große-Wortmann (AfD) für das Erstellen eines Armutsberichtes.

Hans-Peter Goetz (FDP/BiK-BiT)/IGH) stimmte dagegen. Er vertrat seinen Fraktionskollegen Reinhard Keding. „So richtig genau ist mir diese Fragestellung nicht klar“, erklärte Goetz.

Ulrike Wunderlich (Bündnisgrüne), Berthold Satzky (SPD), Ausschussvorsitzende Claudia Eller-Funke (SPD) und Mirna Richel (CDU) enthielten sich der Stimme. Der Abstimmung war eine lebhafte Debatte vorausgegangen, die sich im Kreistag und zuvor im Kreisausschuss vermutlich fortsetzen dürfte.

Astrit Rabinowitsch (Die Linke/Piraten) ist
                  Mitglied des Sozialausschusses.

Astrit Rabinowitsch (Die Linke/Piraten) ist Mitglied des Sozialausschusses. Quelle: René Gaffron

Astrit Rabinowitsch wies auf die ihrer Meinung nach erhöhte Dringlichkeit eines aktuellen Armutsberichtes hin. „Die Lage vieler Menschen hat sich, auch wegen Corona, verändert in unserem Landkreis“, sagte sie. „Wir würden gerne Menschen in anderen Lebenslagen, die besondere Hilfe brauchen, besonders erfassen“, formulierte Rabinowitsch ihr Anliegen politisch sehr korrekt.

Antragstellerin Jeannette Paech wies darauf hin, dass es in Deutschland bereits seit 2001 einen Armutsbericht gibt. „Wenn man genaue Angaben hat, kann man gezielter reagieren.“ Zudem komme jetzt noch eine neue Gruppe hinzu, die Beachtung finden müsse. „Wegen Corona werden viele Unternehmer ihre Existenz verlieren“, prophezeite sie.

Astrit Rabinowitsch sagte, Potsdam-Mittelmark habe solch einen Bericht schon in der Vergangenheit gehabt. Man habe diesen leider nur nicht fortgeschrieben.

Auch die Bertelsmann-Stiftung veröffentlicht regelmäßig Studien zur Sozialentwicklung in Deutschland. Im jüngsten Bericht vom Juli 2020 kamen die beauftragten Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass jedes 20. Kind in Potsdam-Mittelmark in armen Verhältnissen lebt.

4,9 Prozent der Kinder von Armut betroffen

Laut der Untersuchung waren mit Stand Dezember 2019 genau 4,9 Prozent der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren von Armut betroffen. Der Wert war im Vergleich zu früheren Untersuchungen allerdings deutlich kleiner geworden. Im Jahr 2014 hatte er noch bei 8,1 Prozent, im Dezember 2012 sogar bei 15,1 Prozent gelegen. Der Bertelsmann-Studie zufolge wächst jedes fünfte Kind in der Bundesrepublik in Armut auf. Das sind 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.

Viele Familien geraten in Armutsfalle

„Es ist ein großes Problem unserer Gesellschaft, dass viele Familien in die Armutsfalle geraten“, sagte Mirna Richel (CDU). „Aber ich glaube nicht, dass die Verwaltung es leisten kann, einen Armutsbericht zu erarbeiten.“ Zudem lege die Kreisverwaltung bereits jetzt schon „ganz viele Berichte“ vor, in denen auch die gewünschten Daten zum Teil enthalten seien. Mirna Richel ist die Vorsitzende des Kreistages von Potsdam-Mittelmark.

Claudia Eller-Funke ist die stellvertretende
                  Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion im Kreistag von
                  Potsdam-Mittelmark und Chefin des Sozialausschusses.

Claudia Eller-Funke ist die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion im Kreistag von Potsdam-Mittelmark und Chefin des Sozialausschusses. Quelle: Rüdiger Böhme

Das sah auch Claudia Eller-Funke (SPD) so. „Wir haben schon so viele Berichte, die diese Thematik betreffen“, sagte sie. „Welche Statistik wollen wir dafür wegfallen lassen?“ Noch eine Statistik sei nämlich zu viel. Gleichzeitig übte sie Kritik an der fehlenden Finanzübersicht in dem Antrag. „Wie hoch sind die Kosten für einen solchen Bericht und wie viel Personal brauchen wir dafür?“, wollte sie wissen.

Die Verwaltung hob denn auch schon vorsorglich die Hände. „Ich habe einen Heidenrespekt davor“, sagte der zuständige Fachdienstleiter für Soziales und Wohnen, Gregor Teubner, mit Blick auf den gewaltigen Umfang des Armuts- und Reichtumsberichtes der Bundesregierung. Dieser umfasst rund 650 Seiten. „Wir können es in dieser wissenschaftlichen Tiefe nicht leisten“, räumte Teubner ein.

Angebot einer Arbeitsgruppe

Gleichzeitig bot er den Antragstellern einen Kompromiss an. Die Berichte der Kreisverwaltung seien gar nicht schlecht, sagte Teubner und schlug vor, eine komprimierte Fassung der bereits vorhandenen Sozialstatistiken zu erstellen. Dazu könne sich eine kleine Arbeitsgruppe interessierter Kreistagsmitglieder zusammenfinden und gemeinsam beraten, welche Zahlen schon verfügbar sind.

Von Hermann M. Schröder

Quelle MAZ online

https://www.maz-online.de/Lokales/Potsdam-Mittelmark/Bad-Belzig/Wie-arm-ist-Potsdam-Mittelmark-Landrat-Wolfgang-Blasig-SPD-soll-einen-Bericht-erstellen#:~:text=Im%20j%C3%BCngsten%20Bericht%20vom%20Juli,Mittelmark%20in%20armen%20Verh%C3%A4ltnissen%20lebt.


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